Vor zwei Wochen erst habe ich über die Single-Skin-Revolution geschrieben, also die Entwicklung von neuen, besonders leichten Gleitschirmen, die kein Untersegel mehr besitzen. Vor einem Jahr war dieses Thema erstmals aufgekommen, als bekannt wurde, dass Ozone an einem solchen neuen Konzept arbeitet. Jetzt hat Ozone bekannt gegeben, dass der XXLite genannte Schirm in Kürze auf den Markt kommen soll. Erste Informationen dazu stehen schon auf der Homepage.

Besonders interessant und Ozone-typisch augenzwinkernd ehrlich ist das, wie der Charakter des Flügels in der Luft beschrieben wird. "Pilots who enjoy the enhanced sensations of ,unprotected sex flight' will get the most out of this exciting new design", heißt es dort. Der Flügel ist offenbar nichts für Gemüter, die sich soft und gedämpft durch die Lüfte tragen lassen wollen. Vielmehr bekommt der Pilot wohl sehr direkt alles und ungefiltert vermittelt, was in der Luft los ist.

XXLite auf dem Mt Blanc Gipfel. Foto: Sylvain Dhonneur
Ozone liefert auch gleich die Erklärung für dieses Verhalten: Ohne das Untersegel hat der Flügel keine eingeschlossene Luft mehr als zusätzliche Masse, die von äußeren Turbulenzen bewegt werden muss, damit diese Bewegung spürbar zum Piloten gelangt. Anders gesagt: Ohne die Trägheit dieser Luftmasse, rechnerisch rund 5 kg, wird also jeder "Zupfer" über die Leinen direkt nach unten weitergegeben.

Ob man einen solchen "ungeschützten" Ritt geil oder zum kotzen findet, muss jeder Pilot für sich entscheiden. Ozonze schreibt immerhin deutlich, dass ein XXLite-Flug für Piloten ohne entsprechende Erfahrung "befremdlich", oder, wenn man es anders übersetzt, "unangenehm" sein könnte. Wohl auch deswegen strebt Ozone keine Zertifizierung dieses Flügels an. Wer damit fliegt, soll das nach reiflicher Überlegung tun.

Zumal der Schirm auch nicht als Alltagsschirm designt ist. Von der Größe (16 oder 19 m²) eher klein, dennoch mit einer niedrigen Trimmgeschwindigkeit, die unter der von klassischen Schirmen liegt, und dann noch ohne Beschleuniger: Da sollte ein Pilot bei seiner Flugplanung schon vorher bedenken, welche (Taldwind-)Düsen, Leefallen etc. er in jedem Fall vermeiden sollte. Bei windarmen, wenn auch thermischen Bedingungen, kann man mit dem XXLite aber durchaus den Mt Blanc auskurbeln und oben topladen, wie kürzlich geschehen (s. Foto).

Das Interessante an solchen Details ist, dass eine weitere Firma, die ebenfalls Single-Skin-Segel entwickelt, bisher eine andere Einschätzung kommuniziert. Es geht um Adrenaline Paragliders aus Spanien. Für das geplante Modell Batlite ist angeblich eine Zulassung nach EN-A vorgesehen. Der Schirm wird als besonders sicher gepriesen. Der Prototyp besitzt auch einen Beschleuniger.

Spannend wird die Frage, inwieweit für Batlite andere physikalische Regeln gelten, oder ob der Schirm mangels Luftmasse im Segel auch dieses extrem direkte Flugerlebnis vermittelt, wie es Ozone sehr offen kommuniziert. Dann wäre ein EN-A auf dem Papier zwar schön zu lesen. Aber die Kategorie "einfacher Flügel für jedermann" wäre damit wohl futsch.