Mit der Spiruline L an der Düne von Wijk aan Zee. // Foto: lu-glidz

Ein neues Jahr ruft immer auch nach neuen Abenteuern. Drum war ich am 2. Januar im holländischen Wijk aan Zee, um mich einmal testweise mit den Miniwings von Littlecloud in die Lüfte zu schwingen. Der Wind hatte die perfekte Stärke, um dort an den Dünen zu soaren -  wenn er auch etwas seitlich kam, was einige Passagen doch etwas kniffliger gestaltete. Effizientes Konturfliegen mit den so schnellen wie reaktionsfreudigen kleinen Kappen verlangt schon etwas Übung und Umgewöhnung.

Der Kopf und Konstrukteur von Littlecloud, Tom Bourdeau, nennt seine Flügel Mini-Wings, weil er darin eine eigene Geräteklasse sieht, die trotz kleiner Fläche nicht nur ein schnelles Abgleiten vom Berg wie bei den Speed-Glidern, sondern ein vollwertiges, sicheres Fliegen ermöglicht, mit dem Spaßfaktor der höheren Dynamik. Vor allem beim Dünenfliegen kommen diese Qualitäten voll zur Geltung. Ich habe das mit den Littlecloud Modellen Spiruline L (18m²) und Atypik (19m²) ausprobiert.

Schirme mit kleineren, höher belasteten Kappen fliegen nicht nur schneller, sie brauchen auch die Geschwindigkeit, um genügend Auftrieb zu entwickeln. Typischerweise tauchen sie nach dem Start erst einmal durch, um den nötigen Speed aufzubauen. Viele Speedglider sind deshalb fürs Dünenfliegen selbst bei höheren Windgeschwindigkeiten nicht unbedingt geeignet, weil die Dünen nicht die nötige "Sturzhöhe" beim Starten bieten. Eine der spürbaren Qualitäten der Schirme von Littlecloud liegt darin, mit verhältnismäßig wenig Tauchgang auszukommen. Selbst die kleinen 10-15m Sandhügel von Wijk reichen fürs sichere Starten völlig aus.

Zumal beim Start noch eine andere Besonderheit zum Tragen kommt. Die Mini-Wings haben erstaunlich kurze Leinen, gut 2,5 bis 3 Meter kürzer als bei klassischen Gleitschirmen. Das verkürzt nicht nur die Steigphase, sondern ermöglicht es auch, beim Start von Anfang an als Pilot viel höher im Dünenhang zu stehen. Man zieht die Kappe also gleich in den Bereich mit dem besten Aufwind. Durch die kleine Fläche muss man nicht fürchten, ausgehebelt zu werden, vor allem wenn man die Flügel auch über die C-Ebene kontrolliert, was sowohl bei Spiruline wie Atypik hervorragend funktioniert. Außerdem haben die Kappen kaum eine Vorschießtendenz. Gerade bei stärkerem Wind ist das ein echter Sicherheitsvorteil.

Atypik - ein Mini-Wing mit Streckung 6.2
Foto: lu-glidz
Das Soaren mit der Spiruline ist recht anstrengend, macht aber viel Spaß. Um das Sinken zu minimieren, werden die Schirme mit deutlich gesetzter Bremse geflogen, und das geht spürbar in die Arme. Bremsinputs werden sehr schnell umgesetzt. Anfangs war ich recht schaukelnd unterwegs, bis ich verstanden hatte, dass eine Spiruline besser mit einer umgekehrten Bremslogik geflogen wird. Zur Richtungsänderung gibt man die Außenbremse frei und zieht nicht die Innenbremse nach. So kommt man weitgehend ohne störendes Pendeln um die Sandhügelnasen herum. Das deutlich gestrecktere Modell Atypik bietet eine größere Laufruhe.

Zu echten Spaßschirmen werden die Mini-Wings beim dynamischen Soaren. Während man mit klassischen Gleitschirmen meistens versucht, dass Kurvensinken beim Soaren zu minimieren, geht diese Taktik mit einer Spiruline kaum auf. Im Gegenteil: Besser fliegt man die Kurven mit hoher Geschwindigkeit an, bremst scharf, lässt sich herumschleudern, taucht dabei deutlich ab, um die so zusätzlich gewonnene Energie durch beidseitiges Bremsen wieder in Höhe umzusetzen. Im richtigen Rhythmus ausgeführt, wird man mit diesem Manöver wieder auf Ausgangshöhe an der Dünenkante ankommen und dank des kleinen Adrenalinflashs grinsend weiterfliegen. Wer eine solche Kurve freilich etwas zu tief ansetzt, für den wird nur ein U-Turn zur Landung daraus.

Am Ende kann ich nur einen markanten Minuspunkt auf meiner ersten Erfahrungsliste mit Spiruline und Atypik verzeichnen: Die Empfindlichkeit gegenüber den Wirbelschleppen anderer (großer) Schirme. Da raschelt es über dem Kopf wie bei einem normalgroßen Schirm, doch dieser kurze Strömungsabriss wird von den Mini-Wings mit einem ausgeprägteren Abtauchen quittiert. Mehrmals haben mich andere Schirme (ungewollt) aus dem sicher geglaubten Aufwindband regelrecht abgeschüttelt. An einer Düne wie in Wijk aan Zee, die man schnell wieder groundhandelnd erklimmen kann, ist das nicht tragisch. Doch an anderen Locations mit eingeschränktem Hangzugang und weiten Wegen zum Startplatz wäre das sicher ärgerlich.

Mein Fazit dieses Tages: Als Starkwind-Dünenschirme sind die Schirme von Littlecloud echte Spaßmaschinen. Inwieweit die größeren Spirulinen in XL (20 m²) und neuerdings XXL (21,5 m²) auch als Allroundschirme zum Berg- und Thermikfliegen taugen, müsste ich noch an anderer Stelle testen. Leider haben alle Littlecloud Modelle bisher keine Gerätemusterzulassung nach LTF/EN, sondern nur einen Lasttest, weshalb sie in Deutschland derzeit nicht legal geflogen werden dürfen. (Diese Problematik habe ich kürzlich im Post zum Dilemma der EN-Normen beschrieben)

Wer sich auch einmal den Dünenspaß mit den Spirulinen gönnen möchte, sollte sich an den deutschen Littlecloud Importeur wenden. Ralf Münch fährt bei passendem Wetter regelmäßig nach Holland und hat Testschirme im Gepäck, die man gegen einen kleinen Unkosten- bzw. "Abnutzungsbeitrag" bei ihm leihen kann. Infos und Terminhinweise dazu gibt es auch auf Ralfs Freiflieger-Homepage und Facebook-Seite.