Der Rise 2 ist ein gut gleitender Flügel mit hoher Flugruhe.

Zwei Merkmale, ein Schirm: Der Rise 2 hat eine hohe Stabilität und hohen Bremsdruck. // Quelle: Airdesign

Dies ist kein kompletter Test des Airdesign Rise 2, wie ich ihn normalerweise mit Testschirmen über mehrere Tage in unterschiedlichen Bedingungen erfliege. Der Rise 2 stand mir nur für einen (immerhin fünfeinhalb Stunden dauernden) Testflug in Bassano sowohl mit kräftiger, teils zerrissener Thermik an der Kante als auch mit soften Flachlandbärten zur Verfügung. Dennoch konnte ich dabei schon einen guten Eindruck gewinnen. Geflogen bin ich den Rise 2 in der Größe M (85-105 kg) mit rund 93 kg Startgewicht. Das Gurtzeug war ein Karpofly Extra Light (Liegegurtzeug). Der Schirm wurde mir für den Test freundlicherweise von Airdesign zur Verfügung gestellt.

Den Vorgänger des Rise 2, den Rise, hatte ich nur einmal zu einer Starkwind-Groundhandlingsession am Übungshang in den Händen. Damals fand ich den mit mehreren Durchläufern "verbauten" Tragegurt am Boden recht unhandlich, doch bei den kurzen Flügen war mir die angenehm direkte Steuercharakteristik in den Kurvenansätzen aufgefallen. "Den solltest Du mal in echter Thermik probefliegen", dachte ich damals, kam aber nie dazu. Der Wunsch wurde erneuert, als Airdesign den Rise 2 präsentierte. Wenig später veröffentlichte der libanesische Schirmtester Ziad Bassil auf seinem Blog  Dustoftheuniverse eine sehr positive Einschätzung des Schirmes, in der er vor allem den hohen Komfort im Flug im Verhältnis zur guten Leistung heraushob ("the comfort is amazing"). Meine Neugier war wieder geweckt, und so nutzte ich die Gelegenheit, mir bei einem Testival in Bassano den Schirm für einen langen Flug zu schnappen. 

Starten: Beim Auspacken gleich die erste positive Überraschung. Alle Leinen relativ dick, im Bereich der Stammleinen ummantelt und farblich voneinander abgesetzt. Dazu eine Kappe, die mit relativ kräftigem Tuch (Dokdo 30) und sehr sauber ausgeführten Nähten aufwartet. Die Tragegurte sind schmal, aber eher steif ausgeführt. Dieser Schirm ist solide auf Haltbarkeit gebaut, liegt aber mit einem Gewicht von 5,6 kg für die Größe M im üblichen Rahmen. Mit seiner ausgelegten Streckung von 5,7 und dem besonderen Design mit der weiß abgesetzten Hinterkante wirkt der Rise 2 recht schlank.
Die Startvorbereitungen selbst sind einfach. Die Leinen fallen gut auseinander und sind, dank eindeutiger Färbung der Ebenen, auch sehr übersichtlich zu sortieren. Das Rückwärtsaufziehen über die inneren A-Leinen in angenehmer Startbrise erfolgt sehr sauber. Der Schirm füllt gut und spreizt dabei sehr bald seine Ohren, d.h. er baut schnell Spannung auf. Der Aufstieg erfolgt eher langsam, angenehm spurtreu und gut kontrollierbar. Wenn man die A-Gurte nur führt und nicht zieht, zeigt sich keine Tendenz zum Überschießen. Ein angenehm stressfreier Starter, der keine Tricks benötigt.
(Wie sich der Schirm bei Nullwind-Vorwärtsstarts oder bei Starkwindstarts verhält, konnte ich leider nicht ausprobieren).

Landen: meine einzige Landung mit dem Rise 2 zeigte keine nennenswerten Auffälligkeiten

Bremsen: Der Rise 2 besitzt den höchsten Bremsdruck aller B-Schirme, die ich bisher geflogen bin. Knackiger Bremsdruck ist ein typisches Charakteristikum der Schirme von Stefan Stiegler. Kurz vor dem Abriss werden die Bremsen dann richtig hart. Man kann das als ein Sicherheitsfeature sehen, man kann es auch positiv als Workout in der Luft betrachten. Für meinen Geschmack allerdings ist der Bremsdruck beim Rise 2 schon etwas zu hoch, da ermüdend.
Zwar kann man den Flügel mit relativ wenig Bremszug von 15-20 cm die meisten normalen Thermikkurvenmanöver fliegen lassen. Doch in bewegter Luft, in zerrissenen Thermiken, wenn man anfangen muss deutlich mehr mit dem Flügel zu arbeiten, kann das richtig anstrengend werden. Hier kommt der Fakt dazu, dass der Rise 2 auf das Freigeben der Außenbremse in Kurven nicht sehr flott reagiert. Um in Thermiken auch mal schnell eng in einen starken Steigkern einzukreisen, ist ein kräftiger Zug auf der Innenbremse nötig. Wer eher einem engen Kurbelstil frönt, für den wird der Rise 2 zum Armmuskeltrainer.
Allerdings hat der Rise 2 auch eine Besonderheit, mit der man diese Kritik wieder etwas entkräften kann. Die Steg von der Bremsrolle zum Tragegurt ist besonders lang ausgeführt, damit der Pilot das sogenannte Brake-Shifting (s. Video) einsetzen kann. Bewegt er seine Hand mit der Bremse weiter nach innen oder nach außen, verändert sich die Position, wo die Bremsspinne die Hinterkante am stärksten herabzieht. Hand nach innen hat zur Folge, dass die Bremse vor allem am Außenflügel greift. So kommt der Flügel flotter ums Eck, gräbt aber ein bisschen mehr. Hand nach außen zieht vor allem die inneren Bereich der Hinterkante herab. So fliegt der Rise 2 eher flache, weite Kurven. Wer nun in einer Thermik mal schnell nachzentrieren will, muss die Bremse gar nicht tiefer ziehen, sondern nur die Hand auf gleicher Höhe nach innen schieben, sogleich verändert sich die Kurvencharakteristik. Das funktioniert auch erstaunlich gut.
Wer das Brake-Shifting konsequent einsetzt, kann also auch recht kraftsparend ohne viel Bremszug durch die Lüfte cruisen. Allerdings: Das gilt nur bei verhältnismäßig smoothen Bedingungen, z.B. in weiten Flachlandthermiken. In richtig bewegter Luft wird dieses System etwas unpraktikabel, weil man mit stark nach innen geschobener Hand nicht mehr schnell nach unten durchbremsen kann, um z.B. auf einen weich werdenden Flügel zu reagieren. Hier ist man gezwungen, wieder den "normalen" Bremseinsatz zu pflegen. Und dann wird das Fliegen mit dem Rise 2 doch wieder kraftraubend.

Kappenfeedback: Über die Bremse liefert der Rise 2 nur wenig Infos an den Piloten. Erst bei tieferem, anstrengendem Bremszug wird der Schirm über diesen Kanal gesprächiger. Über die Tragegurte allerdings kommuniziert die vergleichsweise harte Kappe recht eindeutig, zeigt die Position der Aufwinde eindeutig an. Auch kleine Entlaster werden darüber gut spürbar. Das gibt dem Piloten das Gefühl, in gutem Kontakt mit dem Schirm zu stehen. Unverhofft winkende Öhrchen oder sonstige Kappenraschler kommen beim Rise 2 so gut wie nicht vor. Der Schirm bleibt kompakt und vermittelt das Gefühl hoher Stabilität.

Gewichtssteuerung: Der Rise 2 reagiert gut auf Körpergewicht, ohne allerdings in Hektik zu verfallen.

Kurvenflug: Der Rise 2 hat einen sehr runden und gut variablen Kurvencharakter. Er dreht bei normalem Bremseinsatz weder sehr flach noch sehr steil. Er vermittelt dem Piloten das Gefühl, die mittlere Schräglage sehr satt anzunehmen. Über das Brake-Shifting (s.o.) kann man den Kurvencharakter fein differenzieren. In homogenen Luftmassen gibt die Kappe dem Piloten so ein tolles Cruiser-Erlebnisl. Einmal eingestellt, zieht der Flügel geradezu stur seine Bahn. Da sind kaum noch Korrekturen nötig.
Allerdings geht diese Flugruhe etwas auf Kosten der Agilität. Schnelle Änderungen in der Schräglage beim Nachzentrieren erfordern einen sehr deutlichen Piloteninput, typischerweise auf der Innenbremse, denn auf das Freigeben der Außenbremse reagiert der Rise 2 sehr gemächlich. Fast erscheint es, als bräuchte der Schirm eine Gedenksekunde. So als würde er den Piloten erst fragen: "Meinst Du wirklich?" Wenn man dann auf dem Steuerausschlag besteht, folgt er ihm auch willig. Vielleicht wirkt der Rise 2 deshalb im Flug nie nervös.
Anmerkung: Ich bin den Rise 2 im unteren Drittel belastet geflogen. Ich könnte mir vorstellen, dass der Schirm mit mehr Gewicht auch etwas direkter reagiert.

Thermikeigenschaften: In homogenen Bärten ist das Kurbeln mit dem Rise 2 sehr entspannt. Relaxed zirkelt man sich nach oben. In die Thermiken zieht die Kappe spürbar hinein, nickt dann aber beim Herausfallen auch mal gerne leicht vor. Der Rise 2 ist etwas weniger nickgedämpft als andere Schirme dieser Klasse wie Rush 4, Summit XC 3 oder Iota.
In weniger homogenen, engen, kräftigen Bärten würde ich dem Rise 2 nicht mehr den von Ziad Bassil hervorgehobenen "amazing comfort" zusprechen. Da hebelt die Kappe schon mal etwas, giert gelegentlich und lässt sich auch mal aus der Thermik drängen. Das ist nichts dramatisches. Dennoch ist hier ein weitaus energischerer, teils erstaunlich tiefer Bremseinsatz gefragt, will man den Flügel auf der beabsichtigten Spur halten. Und hier ist es, wo das Fliegen mit der harten Bremse des Rise 2 durchaus anstrengend wird. (Ich vermute, dass der Rise 2 besser mit etwas mehr Gewicht geflogen werden sollte, um auch bei bockigeren Bedingungen jene Laufruhe zu erlangen, die andere Tester hervorheben).
Vom Steigen her würde ich dem Rise 2 keine Spitzennoten geben. Im direkten Vergleich in homogenen Flachlandthermiken stieg z.B. ein vergleichbar belasteter Iota wiederholt einen Ticken besser.

Beschleuniger: Der angenehm, wenn auch nicht leicht zu tretende Beschleuniger des Rise 2 ist im Vergleich zu anderen Schirmen der Klasse sehr lang, ohne den Rise 2 deswegen zum schnellsten Schirm zu machen. Eine Vmax um die 52 km/h passt aber ins Klassensegment. Das Segel steht bis hin zu Full-Speed sehr gut da, ohne Vibrationen. Auch das Gleiten ist bis ca. 70% beschleunigt noch sehr gut.
Im Vergleich zur enormen Spurtreue bei Trimmgeschwindigkeit muss man stark beschleunigt leichte Einbußen beim Geradeauslauf hinnehmen. Über die C-Tragegurte sind die erforderlichen sanften Richtungskorrekturen aber sehr leicht möglich. Der Rise 2 besitzt extra sogenannte C-Balls, an denen man die C-Tragegurte etwas herabziehen kann. Das geht im beschleunigten Flug auch ohne größeren Widerstand (wenig Last auf der C-Ebene). Allerdings sollte man tatsächlich auf Höhe dieser Griffbälle ziehen, und nicht den hintersten C-Tragegurt an den Gurtschlössern greifen (vgl. den Post: Versteckte Risiken der C-Steuerung). Die Zugwege, bis die Wirkung einsetzt, sind erstaunlich kurz.

Ohrenanlegen: Das Ohrenanlegen mit dem Rise 2 ist keine Freude. Wie so viele moderne Stäbchenschirme neigen die Ohren zum Schlagen. Ich habe trotz unterschiedlicher Versuche auch keine Form der Einleitung gefunden, mit der die Ohren reproduzierbar ruhig blieben. Zudem ist es anstrengend, die Ohren zu halten. Die Ausleitung erfolgt selbständig

Steilspirale: kann langsam oder auch recht schnell eingeleitet werden, je nachdem, wie man anfangs an der Bremse zieht (Brake-Shifting). In der Steilspirale bleibt die Kappe sehr gut kontrollierbar, allerdings wirken schon recht ordentliche G-Kräfte auf den Piloten.

Frontklapper: nicht geflogen.

Seitenklapper: nicht geflogen.

Packen: Zum Rise 2 gibt es den passenden Schlauchpacksack mit dazu. Der ist schmal und auf Länge geschnitten und erfordert deshalb ein recht genaues Zusammenlegen Zelle auf Zelle. Die erzielbare Packgröße liegt etwas über dem Durchschnitt.

Qualität: Der Rise 2 macht von der Verarbeitung her einen sehr robusten und wertigen Eindruck. Er wartet mit einigen durchdachten Details auf. So etwa die C-Balls, mit denen man die C-Ebene auch beim Start trotz geteilter C-Gurte noch gut über die gesamte Spannweite kontrollieren kann. Auch die weich gepolsterten Bremsgriffe gehören zu den angenehmsten, die ich bisher in den Fingern hatte (zumindest wenn man gerne wie ich mit halber Wicklung fliegt). Weniger gut gefallen hat mir, dass der Rise 2 gar keine eigene Stabilo-Leine besitzt. Der Stabilo wird von der äußersten C-Leine mit abgespannt. Ob das in der Praxis ein Sicherheitsmanko darstellt, weil sich Verhänger vielleicht nur erschwert lösen lassen, kann ich mangels erlebten Verhängern nicht sagen.

Fazit:  Der Rise 2 ist ein Schirm für Piloten, die einen stabilen, gut gleitenden Flügel suchen, der eine lange Haltbarkeit und hohe Flugruhe verspricht. Man sollte gerne mit einem deutlich spürbaren Bremsdruck fliegen und sich nicht in jeder Thermik gleich in den engsten Steigkern stellen wollen. Wer sich auf diesen "Cruiser-Modus" einlässt und auch das Brake-Shifting verinnerlicht, der wird den Rise 2 als sehr angenehm erleben. In zerrissener Thermik verlässt allerdings auch dieser Schirm seine Komfortzone, bügelt nicht mehr alles weg. Dann verlangt er vom Piloten einen Flugstil, der schon etwas Erfahrung voraussetzt, um den Anschluss nicht zu verlieren. Da gibt es im Highend-B-Sektor andere Modelle, die williger am Zügel hängen.
Einen näheren Blick wert ist Rise 2 auf jeden Fall für Piloten, die sich am Rande der üblichen Gewichtsbereiche in die Luft schwingen wollen. Die Größen XXS (50-65 kg) und XL (120-145 kg) werden ansonsten nur von wenigen Herstellern bedient. Ebenso interessant dürfte der Rise 2 in der Superlight-Variante für Hike&Fly-Freunde sein. Da sind die Flügel mehr als 1 kg leichter.

In eigener Sache: Hat Dir dieser Test etwas gebracht? Unterstütze den Blog mit einer Spende!